Interview mit Ian Rankin
von Clayton Moore (www.bookslut.com)
Verbrechen auf die Gesellschaft haben, ein Interesse, das Sie mit vielen Krimiautoren teilen. War das schon immer so, oder hat es sich nach und nach entwickelt?
Ich bin 1978 im Alter von 18 Jahren zum Studieren nach Edinburgh gezogen. Aufgewachsen bin ich 50 Kilometer nördlich, in einem kleinen Bergarbeiterort mit etwa 7.000 Einwohnern. Edinburgh kam mir sehr groß und unübersichtlich vor. Ich habe das Wesen, die Eigenheiten der Stadt und ihrer Bewohner nicht begriffen und deshalb das getan, was ich schon als Jugendlicher immer getan hatte: Geschichten geschrieben, um mir über bestimmte Dinge klar zu werden.
Hilft Ihnen der Versuch, John Rebus zu begreifen, dabei, die Stadt zu begreifen?
Ich benutze ihn, um in der Stadt herumzukommen, denn John Rebus stehen viel mehr Möglichkeiten offen als mir. Er kann mit Gefängnisinsassen reden. Er kann in die wirklich üblen Hochhaussiedlungen gehen und mit den Dealern und Prostituierten sprechen, die dort ihr Geld verdienen. Neben seinen Befugnissen als Polizist besitzt er natürlich auch die Anonymität, die ich nicht mehr habe.
Ist es schlimm, seine Anonymität zu verlieren? Ich weiß, dass es in Edinburgh die Rebus-Touren gibt, die vor der Oxford Bar enden, der Stammkneipe sowohl von Rebus als auch von Ihnen.
Ja, ich bin wirklich zu bedauern. Auf den Rebus-Touren werden die Leute auf den Spuren meiner Bücher durch die Stadt geführt, denn Rebus lebt ja in einer realen Stadt. Er wohnt in einer realen Straße, arbeitet in einem realen Polizeirevier, geht abends in einen realen Pub. Deshalb erwarten manche Leute, die ins Ox kommen, dort auf John Rebus zu treffen, und sind dann furchtbar enttäuscht. Sie wollen ihm begegnen und nicht mir. Der unauffällige Typ, der im Nebenraum an einem Tisch sitzt und Kreuzworträtsel löst, interessiert sie nicht. Es hat schon Leute gegeben, die mir nicht glauben wollten, dass ich ich bin. Ich musste ihnen meinen Ausweis zeigen!
Sie sind durch Zufall in die Krimiabteilung der Buchhandlungen geraten. Haben Sie sich mittlerweile mit der Kategorisierung als Krimiautor angefreundet?
Ja, habe ich. Als mein erstes Buch entstand, hätte ich eigentlich an meiner Doktorarbeit über die schottische Schriftstellerin Muriel Spark arbeiten müssen. Ich tat aber nur gerade so viel dafür wie unbedingt nötig. Während der drei Jahre, in denen ich ein Promotionsstipendium bekam, habe ich drei eigene Bücher geschrieben. Das erste wurde als Kriminalroman veröffentlicht und landete logischerweise in der Krimiabteilung der Buchhandlungen. Im letzten Jahr meiner Promotion habe ich daraufhin statt Bücher über Muriel Spark Kriminalromane gelesen. Vor allem Raymond Chandler, Dashiell Hammett, Ruth Rendell und P.D. James. Mir hat sofort gefallen, dass so viel Wert auf die Schilderung der Schauplätze und der Hauptfiguren gelegt wurde. Außerdem hat mich die traditionelle Erzählweise angesprochen mit der klaren Aufteilung in Anfang, Hauptteil und Schluss. Und die Möglichkeit, im Kriminalroman kleine Spielchen mit dem Leser zu spielen. Mir ist klar geworden, dass ich alles, was ich über die Welt zu sagen hatte, im Krimi-Genre wunderbar sagen konnte - wieso also etwas anderes schreiben?
Allerdings unterscheiden sich Ihre Bücher von den meisten anderen Kriminalromanen durch ihr mehr oder weniger offenes Ende.
Ein offenes Ende ist bei Verlegern und auch bei manchen Lesern äußerst unbeliebt. Sowohl "Ein eisiger Tod" als auch "Das zweite Zeichen" hatten in der ursprünglich erschienenen Version ein sehr offenes Ende. Aber dann sagte mein amerikanischer Verleger zu mir: Hören Sie mal Ian, könnten Sie vielleicht noch ein Kapitel anhängen, in dem sie alle offenen Fragen klären? Das habe ich dann auch getan. Dass Krimis von der Literaturwissenschaft und dem Literaturbetrieb nicht ernst genug genommen werden, liegt nicht zuletzt daran, dass in den meisten dieser Bücher, anders als im wahren Leben, am Ende alles aufs Beste geregelt ist. Von Polizisten weiß ich, dass das nicht der Realität entspricht. Sie sind mit dem Ergebnis ihrer Arbeit keineswegs immer zufrieden, auch wenn es so aussehen mag, als hätten sie einen Fall gelöst. Dieses Gefühl wollte ich den Lesern vermitteln.
Ich weiß, wie frustrierend Sie es finden, dass Kriminalromane von den Jurys bedeutender Literaturpreise wie dem Booker Prize oder dem Whitbread Prize ignoriert werden.
Das ändert sich seit einiger Zeit, aber nur langsam. Man kann inzwischen Kriminalliteratur an der Uni studieren. An schottischen Oberschulen kommen die Rebus-Romane sogar im Unterricht vor. Was den Booker Prize und den Whitbread Prize angeht, haben Sie natürlich Recht. Für beide Preise kommen nur "richtige" Romane in Frage. Ein Krimi hat es noch nie auf die Longlist, geschweige denn die Shortlist geschafft. Queen Elizabeth, Gott segne sie, hat mir vor ein paar Jahren den Order of the British Empire verliehen, und zwar für meine "Verdienste um die Literatur". Das war für mich wichtig, denn es waren keine Verdienste um "Genreliteratur, die man im Zug liest und gleich wieder vergisst". Wenn die Queen Kriminalliteratur ernst nimmt, wird es der Rest der Bevölkerung bestimmt auch irgendwann tun.
Sie haben einmal gesagt, weil Rebus ein guter Polizist ist, ist er in seinem Sozialverhalten gestört.
Na ja, es gibt dieses Klischee vom Polizisten als einsamem Kämpfer, aber das ist nur deshalb ein Klischee, weil es in gewissem Maße zutrifft. Ich kenne etliche gute Polizisten, die ihre Arbeit zu perfekt machen. Sie verbeißen sich in die Fälle, die sie aufklären sollen. Sie können nicht loslassen und wollen abends am liebsten gar nicht nach Hause gehen. Wenn sie das dann doch tun, können sie nicht abschalten. Auch Rebus ist klar, dass sein Job zugleich seine Geliebte, seine Ehefrau und seine Familie ist. Seine Frau und seine Tochter hat er nie richtig an sich herangelassen. Das ist traurig, und es ist ein bisschen wie mit Edinburgh – Rebus lebt in einer der schönsten Städte der Welt, aber für ihn besteht sie nur aus ehemaligen und zukünftigen Tatorten.
Fällt es Ihnen schwer zu entscheiden, welche Grenzen Rebus überschreiten soll und welche nicht?
Ich habe ihn mehrfach dicht an den Abgrund gebracht. Er hat eine ziemlich verwickelte Beziehung zu einem Gangster namens Cafferty. Die beiden sind ein bisschen wie Kain und Abel. Sie haben eine sehr ähnliche Herkunft, eine ähnliche Weltsicht, und in gewisser Weise sind beide Dinosaurier. Sie sind die letzten ihrer Gattung – der altmodische Gangster und der altmodische Polizist. Sie könnten eigentlich gut miteinander auskommen, und man weiß nicht, ob es Cafferty irgendwann gelingen wird, Rebus auf seine Seite zu ziehen, oder ob die beiden sich im Schlusskapitel des letzten Rebus-Romans gegenseitig umbringen. Beides ist möglich. Es steht noch nicht fest, wie es ausgehen wird.
Eine Frage ist unausweichlich – wir wissen, dass Rebus mit sechzig in Pension gehen muss.
Die Uhr tickt sehr schnell, und immer mehr Fans machen sich deswegen Sorgen. Ich bekomme über meine Homepage viele E-Mails mit dem Vorschlag, einfach in die Vergangenheit zurückzugehen und über die Jahre vor dem ersten Buch zu schreiben, oder die Zeit anzuhalten, damit er nicht älter wird. Schließlich schreibt P. D. James schon seit Anfang der sechziger Jahre die Dalgliesh-Romane, und ihr Inspector scheint seitdem kaum älter geworden zu sein. Wenn Rebus in Rente geht, kann Siobhan seinen Posten übernehmen, und er kann dann die Drecksarbeit für sie erledigen, weil er kein Polizist mehr ist und sich um keine Regeln mehr zu scheren braucht.
Wollen Sie dem Krimi-Genre treu bleiben, oder hätten Sie Lust, einmal etwas anderes auszuprobieren?
Zurzeit bin ich damit zufrieden, die Bücher zu schreiben, die ich schreibe, denn ich kann in einem Kriminalroman all das unterbringen, was ich über den Zustand dieser Welt zu sagen habe. Vielleicht wird mir eines Tages eine Idee für eine Geschichte kommen, die ich unbedingt erzählen will und die sich nicht für einen Krimi eignet. Wenn das passiert, werde ich eine andere Sorte Buch schreiben. Vielleicht sattle ich auch komplett um. Immer, wenn ich in die Oxford Bar komme, werde ich gefragt: "He, Ian, wann suchst du dir endlich einen richtigen Beruf?"
Die Oxford Bar ist ein gutes Beispiel dafür, dass Sie irgendwann angefangen haben, reale Schauplätze und Ereignisse in Ihren Büchern zu verwenden, beispielsweise den Serienmörder Bible John. Wann genau haben Sie sich dazu entschlossen?
Das war zu der Zeit, als ich an "Das Souvenir des Mörders" gearbeitet habe, ein Buch, in dem Bible John eine wichtige Rolle spielt. Er hat in den späten sechziger Jahren mehrere Morde verübt und wurde nie gefasst. Ich habe ihn in die Gegenwart transferiert und hatte eigentlich befürchtet, dass er mich wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte verklagt. Aber bisher hat er das noch nicht getan. In den früheren Rebus-Romanen hatte ich mir immer große Mühe gegeben, ein fiktives Edinburgh zu erschaffen. Aber nach einer Weile sagten die Leser, die sich in der Stadt auskannten: "Aha, das ist eindeutig die und die Polizeiwache, weil sie in dem und dem Viertel liegt, und das ist eindeutig der und der Pub, weil er sich in einer Parallelstraße der Princes Street befindet." Daraufhin dachte ich, wieso machst du es dir eigentlich so schwer? Wieso verwendest du keine echten Schauplätze? Ich habe es probehalber versucht, und da mir niemand einen Anwalt auf den Hals gehetzt hat, bin ich mehr und mehr dazu übergegangen. Rebus kauft seitdem in echten Plattenläden ein und geht in echte Pubs.
Als Sie "Das Souvenir des Mörders" schrieben, ahnten Sie da, dass Sie mit diesem Buch den Durchbruch schaffen würden?
Ich hatte es im Gefühl. Als ich mir die Geschichte ausgedacht und zu schreiben angefangen habe, habe ich gespürt, dass der Roman anders als seine Vorgänger sein würde. Vor allem der Anfang war stark von meiner intensiven James-Ellroy-Lektüre beeinflusst. Ich habe mich von ihm wirklich mitreißen lassen. Die ersten Seiten von "Das Souvenir des Mörders" haben einen deutlichen James-Ellroy-Touch – Stakkato-Sätze und viele Slangausdrücke, die sicher nicht jeder versteht, die aber eine bestimmte Atmosphäre erzeugen. Ich habe gewusst, dass dieses Buch viel düsterer als die anderen werden würde, und ich habe zum ersten Mal einen Verbrecher auftreten lassen, den es wirklich gegeben hat. Außerdem war es Zeit, etwas zu riskieren und Rebus etwas mehr zuzumuten. Ich konnte ihn aus Edinburgh wegbringen. Ich konnte mich über Schottland im Allgemeinen äußern. Ich konnte etwas zur politischen oder wirtschaftlichen Lage sagen. Ich konnte einen echten Mörder auftreten lassen. Ich hatte alle Freiheiten. Als "Das Souvenir des Mörders" fertig war, war ich überzeugt, ein bedeutendes Buch geschrieben zu haben. Und zwölf Monate nach Abgabe des Manuskripts bekam ich den Gold Dagger dafür. Das Buch hat sich viermal so gut wie seine Vorgänger verkauft und es auf die Shortlist für den Edgar Award geschafft. Außerdem habe ich einige Preise in anderen Ländern dafür gewonnen. Plötzlich sah es so aus, als würde ich vom Schreiben leben können. Bis dahin hatte ich mich in dieser Hinsicht auf sehr dünnem Eis bewegt.
Genau wie es James Ellroy mit Los Angeles macht oder Lawrence Block mit New York, zeichnen Sie das Portrait einer Stadt.
Ja, das ist meine Absicht. Es ist eine Art Langzeitprojekt. James Joyce hat einmal über "Ulysses" gesagt, er wollte, dass man Dublin mit Hilfe seines Romans Stein für Stein wieder aufbauen könnte, sollte es je zerstört werden. Mir geht es mit Edinburgh und der Rebus-Serie genauso.
Haben Sie die Kontroverse um Jenny Browns Bemerkungen verfolgt, dass Bücher aus Schottland nicht sexy genug sind?
Diese Debatte wird bei uns schon lange geführt. In Schottland hat von jeher eine düstere Atmosphäre geherrscht. Wir sind hier sehr calvinistisch und sehr pessimistisch. Für uns ist das Glas immer halb leer, niemals halb voll. So etwas ändert sich nicht von heute auf morgen. Man kann Edinburgh nicht plötzlich in eine Metropole mit mediterranem Flair verwandeln, in der wir alle entspannt in Straßencafés sitzen und Cappuccino schlürfen. Das ist unmöglich. Die Literatur bei uns hatte immer etwas Gruseliges an sich. Denken Sie an Robert Louis Stevensons "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" oder an James Hoggs "Bekenntnisse eines gerechtfertigten Sünders" – meine Güte, allein schon der Titel! Auch bei Muriel Spark gibt es stets eine unterschwellige Düsternis, und mit dieser Tradition kann man unmöglich mit einem Mal unterhaltsame, geistreiche Geschichten erzählen. Das heißt, man kann schon, aber diese Bücher spielen dann eher nicht in Edinburgh.
Sind Sie heutzutage mehr von anderen Autoren beeinflusst als früher?
Ich war immer mehr an den amerikanischen Großstadt-Krimis interessiert als an britischen Kriminalromanen. Für den bedächtigen Agatha-Christie-Stil hatte ich noch nie viel übrig. Ich wollte von Anfang an eine Großstadt der Gegenwart mit all ihren Problemen beschreiben. Meine Vorbilder kamen aus Amerika und hießen alle James: James Crumley, James Ellroy, James Lee Burke, James Hall. In diesem Zusammenhang zwei Anmerkungen: Die erste ist, dass der Begriff der Schuld für das Verständnis, wer Rebus ist, eine große Rolle spielt. Die zweite ist, dass Matt Scudder [Held einiger Romane von Lawrence Block] zu trinken aufgehört hat, Rebus aber hartnäckig an seinen Gewohnheiten festhält. Ich könnte stundenlang über diese beiden Themen reden. Rebus empfindet oft Schuld. Er ist gewissermaßen ein alt-testamentarischer Charakter. Er gehört einer anderen Generation an als ich. Ich bin 44, und er ist etwa 57. Er betrachtet alles in den Kategorien Schwarz und Weiß, Gut und Böse. Da ich aufgeschlossener bin als er, sehe ich meine Aufgabe darin, seine Ansichten zu verändern. Darum taucht in einem Buch ein Pädophiler auf. Rebus outet den Pädophilen, der daraufhin umgebracht wird, und Rebus fühlt sich schuldig. Das führt dazu, dass er das Verbrechen aufklärt und einige seiner Ansichten ändert.
Ich halse ihm große moralische Dilemmas auf. Klar, er trinkt wahrscheinlich mehr, als man im wahren Leben einem Polizisten durchgehen lassen würde. Einer der Gründe, wieso ich ihm gestatte, weiterhin zu trinken und zu rauchen, ist, dass der Polizeipräsident von Edinburgh in einer Zeitungsrezension meiner Bücher geschrieben hat, dass er Rebus für eine glaubwürdige Romanfigur hält. Sein Standpunkt war: Natürlich trinkt und raucht er zu viel, und bei uns würden seine Vorgesetzten versuchen, ihn davon abzubringen. Aber solange es seine Arbeit nicht beeinflussen würde und er weiterhin ein verdammt guter Polizist wäre, würden wir ihn bei uns behalten. Rebus wird sich mit dem Problem beschäftigen müssen, dass bei uns vom nächsten Jahr an in allen Pubs und Restaurants das Rauchen verboten ist. Und es wird sicher erhebliche Auswirkungen haben, wenn Rebus in der Oxford Bar zum Rauchen vor die Tür gehen muss. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er es aufgeben wird.
Lassen Sie uns ein bisschen über Musik reden. Sie treten mit einem Projekt namens "Jackie Leven Said" auf.
In meinen Büchern kommt aus verschiedenen Gründen oft Musik vor, und einer der angenehmen Nebeneffekte ist, dass ich in Kontakt mit Musikern komme. Jackie Leven ist ein schottischer Singer-Songwriter, den ich sehr mag, und in einem Buch hört Rebus spätabends eine CD von ihm. Wie sich herausstellte, ist Jackie ein Fan meiner Bücher, deshalb sind wir ein paar Mal zusammen aufgetreten und haben ein Programm zusammengestellt, das zur Hälfte aus einer Lesung besteht. Als Möchtegern-Rockstar – und seien wir mal ehrlich, die meisten männlichen Krimiautoren sind nichts anderes - finde ich es fantastisch, zusammen mit echten Musikern auf einer Bühne zu stehen, statt immer nur in Buchhandlungen zu lesen.
Es ist besser, als zur zweitbesten Punkband in Fife zu gehören?
Na ja, als ich dort mitspielte, gab es bloß zwei Punkbands in Fife. Das Schöne am Beruf des Schriftstellers ist, dass man Wünsche wahr werden lassen kann. Darum habe ich dafür gesorgt, dass die Dancing Pigs, die es nur ein halbes Jahr lang gab und die furchtbar schlecht waren, zu Megastars in der Größenordnung von U2 oder REM wurden. In "Das Souvenir des Mörders" brauchte ich eine international erfolgreiche Band, die in Aberdeen bei einem Greenpeace-Konzert auftritt. Ich habe kurz überlegt, U2 zu nehmen, mich dann aber doch für die Dancing Pigs entschieden.
Ich habe gehört, dass Miranda, Ihre Frau, Ihren Musikgeschmack nicht teilt.
Nicht einmal meinem dreizehnjährigen Sohn gefällt dieselbe Musik wie mir! Er hört Bach. Er kommt zu mir nach oben und sagt: "Dad, kannst du bitte mal Led Zeppelin leiser drehen? Ich versuche hier, Bach zu hören." Von wem er das wohl hat? Von mir ganz bestimmt nicht.
Sie haben an einer Dokumentarfilm-Reihe über das Böse mitgewirkt. Ist es Ihnen gelungen, zu einer Definition zu gelangen.
Das war eine dreiteilige Reihe für die BBC. Im ersten Teil ging es um die Frage, ob verschiedene Kulturen dieselbe Vorstellung vom Bösen haben. Im zweiten Teil um die Frage nach den Ursachen des Bösen. Im dritten Teil um die Frage, wie wir dem Bösen entgegentreten. Es war eine lehrreiche Erfahrung, denn ich bekam Zutritt zu Orten, zu denen ein Schriftsteller normalerweise keinen Zutritt hat. Als Schriftsteller würde man mich nicht in den Todestrakt eines texanischen Gefängnisses lassen, aber als Mitwirkender an einem Dokumentarfilm für die BBC durfte ich einige der Insassen interviewen. Ich war im Vatikan und habe an mir einen Exorzismus von einem Priester vornehmen lassen, der sechs Tage die Woche jeweils zwölf Exorzismen durchführt. Wir haben mit Holocaust-Überlebenden gesprochen und mit Psychologen. Wir haben mit verurteilten Mördern gesprochen und mit den Angehörigen ihrer Opfer. Zu welchen Ergebnissen ich gekommen bin? Zu keinen endgültigen. Es fällt mir leichter, eine böse Tat zu benennen als auf jemanden zu zeigen und zu sagen, er ist unwiderruflich böse. Ich glaube, jeder Mensch muss die Möglichkeit bekommen, Abbitte zu leisten und sich zu bessern. Darum bin ich auch prinzipiell gegen die Todesstrafe.
Rebus hat schon mehrmals einen Serienmörder suchen müssen. Man sollte gar nicht glauben, dass es in einem Land von der Größe Schottlands so viele davon gibt.
Ja, er hat sowohl in "Das Souvenir des Mörders" als auch in "Verborgene Muster" einen Serienkiller gejagt. Schottland mit seinen fünf Millionen Einwohnern hatte mehr als die übliche Anzahl von Leuten wie Bible John. Vor einigen Jahren gab es in London einen Schotten, der junge Schwule umgebracht und die Leichen aufbewahrt hat, um nicht allein zu sein. Wir haben auch Serienmörder nach Übersee exportiert. In Australien hat einer sein Unwesen getrieben, der nach Verbüßung einer langjährigen Haftstrafe in seine alte Heimat abgeschoben wurde.
Die Krankheit Ihres jüngeren Sohnes hat Ihnen bei Ihrer schriftstellerischen Entwicklung geholfen. Wollen Sie irgendwelche Organisationen erwähnen, die Unterstützung verdient hätten? (Ian Rankins jüngerer Sohn leidet unter dem Angelman-Syndrom, einer unheilbaren Erbkrankheit. Sowohl Ian als auch seine Frau Miranda, die beim Special Needs Information Point - www.snipinfo.org - mitarbeitet, engagieren sich mit großen Einsatz für verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen.)
Ich möchte vor allem Capability Scotland erwähnen. Ich mache kein Geheimnis aus der Krankheit meines Sohnes, er hat sogar erheblichen Anteil an meinem Erfolg. Meine Bücher wurden besser, weil ich wütend und frustriert war.
Interview von Clayton Moore, April 2005, bookslut.com. Aus dem Englischen von Claus Varrelmann